Die Wanderung von Lamagoan nach Baseri ist eigentlich eine schöne Tageswanderung zuerst entlang eines Hügels, dann hinunter zum Fluss und ein paar Kilometer durchs Tal und schließlich wieder
hinauf nach Baseri. Abstieg und Anstieg haben es aber in sich, denn es geht fast ausschließlich über Stufen, und die haben mich dann zusammen mit der Hitze gewaltig geschlaucht. Die letzten
Höhenmeter hat Krishna dann meinen Rucksack getragen. Über den Winter habe ich wohl zu viel auf der faulen Haut gelegen.
Schon weit unten am Berg hören wir dass oben im Dorf eine lautstarke Veranstaltung stattfindet. Wir treffen dann auch mitten in einer Wahlkundgebung von Ramesh ein und setzen uns auch ein paar
Minuten dazu. Was ich jetzt jedoch am dringendsten brauche, ist eine Dusche.
Zunächst aber bin ich total beeindruckt von der neuen Anlage die Ramesh hier gebaut hat. Auf dem Grundstück seines alten Elternhauses stehen jetzt zwei Gästehäuser mit insgesamt sechs Zimmern mit
eigener Dusche und ein Nebengebäude mit Küche. Dazu gehören auch die angrenzenden Gemüsegärten sowie - man glaubt es kaum - ein Swimmingpool. Noch ist nicht alles fertig, denn das geht hier auf
Nepali Art - bistare, bistare (langsam, langsam). Später möchte Ramesh über seine Trekkingagentur Touristen hierher bringen und die Umgebung für Tourismus erschließen.
Beim ersten Rundgang durch das Dorf gibt es jede Menge Veränderungen zu entdecken. Viele Häuser sind neu oder werden gerade gebaut, unter anderem auch ein Krankenhaus. Ganz wichtig ist auch die
Straße, die jetzt vom Tal bis nach oben ins Dorf führt. Allerdings ist sie nur für die hier üblichen Busse, Lastwagen und Motorräder befahrbar. Aber nur auf diesem Weg ist die Bautätigkeit hier
möglich geworden.
Die größte Veränderung ist aber im Bereich der alten Schule zu sehen. Vor vier Jahren wollte ich ja herkommen um der Schule und vor allem den dusteren Klasszimmern einen neuen Anstrich verpassen zu lassen. Dazu wäre jetzt auch gerade der richtige Zeitpunkt gewesen, denn es sind Ferien, aber die Situation ist nun eine völlig andere. Neben dem alten Gebäude steht bereits ein neues Schulhaus mit vier Klasszimmern und für ein größeres wird gerade das Fundament gelegt u und soll in eineinhalb Jahren fertig sein. Das alte Haus wird dann wohl angerissen und der Anstrich ist somit hinfällig.
Aber es hat sich eine andere, vielleicht noch sinnvollere Verwendung für das Spendengeld ergeben. Ramesh möchte nämlich einen Fond einrichten, der Kindern aus
bedürftigen Familien eine Schulausbildung ermöglichen soll. Und solche Familien scheint es hier etliche zu geben. Dazu zählen vor allem Dalits, das sind Angehörige der untersten Kaste, die
"Unberührbaren". Das Kastensystem, 1963 gesetzlich abgeschafft, hat aber gerade noch auf dem Land einen erheblichen Einfluss auf Besitz, Wohlstand und Ansehen. Arme Familien behalten ihre Kinder
oft lieber zur Arbeit daheim als sie zur Schule gehen zu lassen. Bildung ist für diese Kinder die einzige Chance aus dem Teufelskreis der Armut heraus zu kommen.
Die Tage in Baseri vergehen wie im Flug. Treffen mit Freunden, Einladungen zu Tee, Snack oder Dhal Bhat, Besuch bei Lehrern und viel Blabla mit dem Team von Ramesh.
Die jungen Männer sind fleißig im Dorf und der Umgebung unterwegs um für die Wahl die Werbetrommel zu rühren. Ich schaue täglich bei der Schule vorbei, wo die Vorbereitungen für die Wahl im Gange
sind. Jeder Wähler kann sich dort seinen Wahlausweis abholen, wenn er sich zuvor hat registrieren lassen.
Im Schulhaus ist eine Gruppe der "Nepal Police" untergebracht um für Sicherheit und korrekten Ablauf zu sorgen. Der Wahltag verspricht spannend zu werden. Einer der jungen Männer hat prophezeit, dass es auf dem Platz Krieg geben werde, aber ich hoffe sehr dass er unrecht hat. Es werden rund dreieinhalb Tausend Wahlberechtigte erwartet. Bewohner der entlegenen Gebiete werden per Bus und LkW hergebracht.
Kurz nach acht ist das Gedränge vor der Schule schon beachtlich. Alphabetisch geordnet in drei langen Reihen stehen die Menschen in der Hitze an. Die Schlangen bewegen sich nur langsam vorwärts, wohl weil die Leute oft lange Zeit brauchen um mit dem umfangreichen Wahlzettel klar zu kommen. Zwischendurch gehe ich zu einer befreundeten Familie zum Essen und auch in meine Unterkunft für eine kalte Dusche. Um drei Uhr nachmittags sieht es auf dem Platz noch gleich aus wie am Vormittag und ich mache mich auf den Heimweg. Auf halbem Weg höre ich vom Schulgelände her lautes und aufgeregtes Stimmengewirr. Doch Krieg??? Nein, wie ich später erfahre, wollte wohl einer Schummeln und mehrfach wählen, was verständlicherweise den Unmut der anderen und eine kleine Handgreiflichkeit ausgelöst hat.
Am Samstag, dem Tag nach der Wahl, ist das Dorf ruhig und friedlich wie eh und je. Ich mache einen kleinen Rundgang um mich zu verabschieden und um ein Busticket für
den nächsten Morgen zu besorgen. Aber beim Ticketverkäufer erfahre ich, daß für den morgigen Bus schon alle Plätze gebucht sind. Alle die aus Kathmandu zum Wählen gekommen sind wollen wieder
zurück. Für den übernächsten Tag zu buchen geht nicht, zuerst muss abgewartet werden ob am Tag zuvor ein Bus ankommt, der dann wieder nach Kathmandu zurück fährt. Kein Bus kommt, folglich wieder
kein Ticket.
Am Sonntag probiere ich es dann wieder, kein Erfolg. Erst am Sonntag Abend verkündet Ramesh's Bruder, dass er telefonisch einen Platz für mich buchen konnte. Jetzt muss der Bus am Montag nur noch fahren, ich stehe auf jeden Fall unten an der Straße.
Der Bus kommt wirklichund die Fahrt nach Kathmandu endet dank eines flotten Fahrers nach neun Stunden.
Nachdem wir erfahren dass Ramesh die Wahl zum Buergermeister in Baseri gewonnen hat, gibt es gleich einen Toast auf seinen Sieg (Mitte: Avinash, der Webmaster und Suman, Guide und Freund aus Baseri).
Die grosse Feier werde ich leider verpassen, denn morgen (Donnerstag, 19. ) geht es fuer mich weiter nach Bhimkori/ Amalbas.
Shyam, Mitorganisator des Wasserprojekts, wird mich begleiten.